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Wie wir entscheiden (Lehrer)

Autor: Jonah Lehrer

erschienen: erste Auflage 2009

Verlag: Piper München Zürich

 

Der Hirnwissenschaftler Jonah Lehrer ist Redakteur des Wissenschaftsmagazins Seed, studierte aber gleichwohl Literatur und Theologie in Oxford. Unter anderem lernte er bei dem renommierten Medizin-Nobelpreisträger Eric Kandel.

Lehrers vorliegendes Sachbuch erläutert in acht Kapiteln anhand einer Vielzahl von Beispielen und Fallstudien, wie Entscheidungsprozesse in unserem Gehirn ablaufen und wo Fehler in der Urteilsfindung menschliche Schwächen und somit Manipulationsmöglichkeiten offenbaren.

 

Dabei werden konkrete Fälle und Szenarien sehr ausführlich und anschaulich beschrieben. Eine gewissen Leidenschaft des Autors für das Fliegen wird hierbei deutlich. Das Steuern eines Flugzeuges wird in der Einleitung und dann immer wieder aufgegriffen und sehr detailliert geschildert. Zusätzliche Ausführungen wären auch bei der Beschreibung persönlicher Schicksale durchaus angebracht gewesen, wie beim tragischen Fall der Mary Jackson (S. 134).

 

Der Text ist generell leicht zu verstehen, da er sehr allgemein gehalten ist und auf Fachtermini – außer für die Anatomie des Gehirns – großteilig verzichtet. Hirnregionen werden immer wieder personalisiert, wodurch umgangssprachliche Erklärungen auftauchen, so bspw. „Der NAcc mag den Elektrogrill begehren, aber die Insula weiß, dass wir ihn uns nicht leisten können, oder der präfrontale Cortex erkennt, dass er zu teuer angeboten wird“(S. 261). Hier sind auch einige Unzulänglichkeiten in der Übersetzung aus dem Amerikanischen von Enrico Heinemann auszumachen. So wird die Spielshow „Deal Or No Deal“ im Deutschen fälschlicherweise als „Der Millionendeal“ bezeichnet (S. 92). Immer wiederkehrend ist das Wort“töricht“, das grundlos nie durch Synonyme ersetzt wird. Auch eine Metapher taucht immer wieder auf: Platons rationaler Wagenlenker, dessen emotionalen Pferde nur schwer kontrollierbar erscheinen. Dieses sprachliche Bild mag zwar passend sein für unsere Entscheidungsprozesse, schnell wird der Leser dieser Formulierung jedoch überdrüssig.

 

Obwohl das Spektrum beschriebener methodischer Ansätze eher begrenzt ist, werden die daraus gewonnenen Erkenntnisse äußerst interessant geschildert. Untersuchungen mit Hilfe des Magnetresonanztomographen (MRT) bei verschiedenen Entscheidungsexperimenten legen dar, welche Hirnbereiche bei welchen Szenarien aktiv werden. Bildgebende Verfahren und diverse Einzelschicksale machen sich auch so genannte „Neuroökonomen“ zunutze, um unsere Nerven für den Konsum zu manipulieren. Kaufentscheidungen können nämlich vielfältig beeinflusst werden, worauf sich mittlerweile komplette Wissenschafts- bzw. Wirtschaftszweige spezialisiert haben.

 

Positiv hervorzuheben ist im Besonderen das Fazit des Buches, welches noch einmal alle vermittelten Erkenntnisse zusammenfasst und somit eine nützliche Anleitung bietet, wie Entscheidungen am besten zu treffen sind.

 

Insgesamt ist das Buch für die Allgemeinheit sehr zu empfehlen, spezielle Kenntnisse in den Neurowissenschaften sind nicht vonnöten. Dies hat den Vorteil, dass eine breite potenzielle Leserschaft Interesse am Werk finden kann, aber auch den Nachteil, Akademiker und Forscher auf dem Gebiet schnell zu langweilen. Die aufgeführten Anmerkungen sind neben wissenschaftlichen Publikationen vor allem Sachbücher und kurze Erklärungen zu genannten Fakten im Buch, die ergänzend betrachtet werden können.

 

Das Werk wurde eingehend in dem Magazin „Gehirn und Geist“ gelobt und empfohlen.

Die 335 Seiten lassen sich schnell und einfach lesen und wer die – emotionale oder rationale – Entscheidung trifft, dieses Buch auch zu Ende zu lesen, wird es sicher nicht bereuen.

–Lorenz Adlung

November 19, 2015